Fokus: Igor Strawinsky zum 50. Todestag
Gewandhausorchester, Philippe Herreweghe Dirigent
Collegium Vocale Gent, Berit Norbakken Sopran, Alex Potter Altus, Guy Cutting Tenor, Tobias Berndt Bass
Felix Mendelssohn Bartholdy — Choral "Mitten wir im Leben sind" op. 23/3 MWV B 21
Felix Mendelssohn Bartholdy — 5. Sinfonie d-Moll MWV N 15 ("Reformations-Sinfonie")
Pause
Johann Sebastian Bach — Kantate "Ein feste Burg ist unser Gott" BWV 80
Igor Strawinsky — Psalmensinfonie
Konzerteinführung mit Ann-Katrin Zimmermann um 19.15 Uhr - Schumann-Eck
Price: 73/55/45/34/22/6 EUR
Flex Price: 80/61/50/37/24/7 EUR
Subscriptions: Serie I, VARIO, VIS-A-VIS
Veranstalter: Gewandhaus zu Leipzig
DUNKELBLAU
Luthers Choräle übten eine besondere Anziehungskraft auf Felix Mendelssohn Bartholdy aus, Mitten wir im Leben sind bereits 1830 in Italien. Zwei Jahre später publizierte Mendelssohn seine Vertonung des Luther-Liedes in konfessionell abenteuerlicher Kombination mit einem Ave Maria und dem Bußpsalm Aus tiefer Not als sein erstes gedrucktes Opus für Chor unter dem Titel ≫Kirchen-Musik≪ op. 23. Die achtstimmige Motette Mitten wir im Leben sind hielt Mendelssohn für eins der besten Kirchenstücke, die ich gemacht habe, und fügte augenzwinkernd hinzu: brummt bös’ oder pfeift dunkelblau.
FARBLOS
Luthers Choral Ein feste Burg ist unser Gott stellte Mendelssohn bedeutungsschwer ans Ende seiner Reformations-Sinfonie. Das Werk sollte 1830 zur Feier des 300. Jahrestags des Augsburger Bekenntnisses erklingen. Doch Mendelssohn geriet mit der Komposition in Verzug, die erhofften Aufführungsgelegenheiten zerschlugen sich, und als die Sinfonie am 15. November 1832 in Berlin erstmals erklang, zerbrach auch die Hoffnung, die Mendelssohn mit diesem Konzert verband: Er ging im Rennen um die Leitung der Singakademie leer aus. Ob der Premierenfrust am Werk haften blieb oder ob ihm das Programm – der Sieg des aufgeklärten Protestantismus über mittelalterlich-finsteren Katholizismus – suspekt wurde? Mendelssohn führte die Reformations- Sinfonie jedenfalls nie mehr auf, gab sie nicht in Druck und hätte sie am liebsten verbrannt.
VIOLETT
Etwa 100 Jahre zuvor war Johann Sebastian Bachs Kantate auf Luthers Choral für das Reformationsfest am 31. Oktober entstanden, 100 Jahre später schuf Igor Strawinsky die Psalmensinfonie. Anlass war ein Kompositionsauftrag zum 50-jahrigen Bestehen des Boston Symphony Orchestra, doch Strawinskys Anliegen war ein persönliches. Der Widmung an das Boston Symphony Orchestra stellte er das Bekenntnis ≫composee a la glorie de Dieu≪ (komponiert zum Ruhm Gottes) voran, das an Bachs obligatorische Unterschrift ≫Soli Deo gloria≪ erinnert. Der Besuch einer Bach’schen Passion am Karfreitag und die Beschäftigung mit dessen Musik waren für Strawinsky von großer Bedeutung. Für seine dunkel gefärbte Psalmensinfonie wählte er Verse aus, die vom Flehen um Erbarmen über Hoffnung zum Lobpreis fuhren. Strawinsky legte Wert auf das Primat des Psalmengesangs: Es ist keine Sinfonie, in die ich Psalmengesang eingebaut habe. Im Gegenteil: Ich sinfonisiere den Psalmengesang.