Einer der vier Titelbeiträge

Sponsoring wird für Kulturinstitutionen immer wichtiger. Aber welchen Preis zahlen sie dafür: Beschränkung der künstlerischen Freiheit? Ansehensverluste durch das schlechte Image des sponsernden Unternehmens? Rita Gerlach-March ist den Fragen nachgegangen.

Zwei der meistgelesenen Sätze zum Thema Kulturfinanzierung und -sponsoring sind: »Die öffentliche Hand zieht sich immer mehr aus der Kulturförderung zurück« und »Angesichts klammer öffentlicher Kassen müssen Kulturorganisationen immer stärker auf private Gelder zurückgreifen« – Fundraising betreiben, Sponsoren, Spender oder gemeinnützige Förderer aus dem dritten Sektor finden. Natürlich stimmt der erste Befund, und der Appell an Kulturschaffende und -vermittler trifft längst nicht mehr auf taube Ohren, sondern Anstrengungen zur Professionalisierung der Sponsorenansprache und -pflege sind allerorten zu vermerken.

Nur der Staat, scheint es, hinkt der allseits postulierten Notwendigkeit einer komplementären und nicht konkurrierenden Kulturfinanzierung hinterher. Zwar sind die Rahmenbedingungen des Spendens und Sponserns in den letzten Jahren verbessert worden, aber sie erreichen bei weitem noch nicht die Spendenfreundlichkeit zum Beispiel des englischen Steuerrechts. Dort kennt man auch das Konstrukt der hiesigen Fehlbedarfsfinanzierung nicht, die »zu erfolgreiches« Spendensammeln oder Ticketverkaufen durch Reduzierung des Zuschusses oder gar Rückzahlung bereits erhaltener Subventionen bestraft. Der Anreiz, sich mit dem langwierigen und frustrierenden Einwerben privater Zusatzmittel zu beschäftigen, ist dadurch hier gleich null – aber vielleicht ist das gewollt, damit sich die Kulturinstitution eben auf das Wesentliche, die Kunst, konzentrieren kann und sich auch nicht allzu sehr am Markt und dem dort herrschenden Massengeschmack ausrichten muss, sondern gemäß Grundgesetz »frei« (vom Markt und dem befürchteten Hineinregieren der Sponsoren) sein darf. Im Gegensatz dazu wird in Großbritannien – um beim nahe gelegenen und vielzitierten europäischen Beispiel zu bleiben – die Kunst als »frei vom Staat« und dessen regulierendem Eingriff verstanden, was sich im »Armlängenprinzip« der Kulturförderung über Mittlerorganisationen wie die Arts Councils manifestiert. Mehr noch nötigt die öffentliche Hand mittels »Matching Funds«-Prinzip die Kulturinstitutionen, in einem vorgegebenen Verhältnis private Mittel hinzuzuziehen und mehr Einnahmen aus Kerngeschäft und sekundären Aktivitäten zu generieren. Dieses Anreizsystem funktioniert also genau umgekehrt (der Staat zieht nicht ab, sondern belohnt), hat sich in Deutschland aber noch nicht flächendeckend durchgesetzt.

Mehr privates Geld für die Kultur

Der Kultursektor im Inselkönigreich lebt uns quasi unsere Zukunft in einigen Jahren vor. Von einem ohnehin schon niedrigeren Ausgangsniveau immer weiter sinkende öffentliche Budgets zwingen Kunst und Kultur zum professionellen und einfallsreichen Ausgleichen der Finanzierungslücken. Dies schon seit Jahrzehnten (Thatcher, New Labour – Blair), aber besonders seit den Sparvorgaben der liberal-konservativen Koalitionsregierung Cameron: 25 Prozent Budgetkürzung für das zentrale Kulturministerium, das Department for Culture, Media and Sport (das zum Beispiel dem schon vorher arg gebeutelten Arts Council England das Budget um 30 Prozent kürzt, wobei aber nur die Hälfte der Kürzung auf die geförderten Kulturinstitutionen umgelegt werden darf – den Rest muss der ACE bei sich selbst einsparen), oder 30 Prozent weniger Geld für die Kommunen, die in England und Schottland über 60 Prozent der staatlichen Kulturförderung aufbringen.
Gleichzeitig leiden die Briten wie wir unter den globalen Krisen: Klimawandel, Finanz- und Eurokrise. Diese bedeuten unter anderem die fortwährende Gefährdung auch der privaten Kulturförderung: Nachweislich sind sowohl individuelle Spenden als auch das Engagement der unzähligen »Trusts and Foundations« und mehr noch das Unternehmenssponsoring volatil und von der Wirtschaftslage abhängig. Längerfristige Sponsorenverträge und eine möglichst breite Streuung können zwar der Unzuverlässigkeit dieser Geldquellen entgegenwirken, aber verunsichert sind die klammen Kulturinstitutionen trotzdem.
Müssen sie jedoch nicht. Scheinbar überraschend verlängern und erweitern (gerade) Großsponsoren ihre Engagements. Die Deutsche Bank (DB), die sich längst als »good corporate citizen« (guter Unternehmensbürger) versteht, gab 2011 für »Corporate Social Responsibility« (unternehmerische Gesellschaftsverantwortung) 83,1 Millionen Euro aus. Davon gehen 29 Prozent an Kunst und Musik (weniger als 0,1 Prozent der Gesamtaufwendungen oder auch der Gesamterträge). Die Bank unterstützt damit Topanbieter klassischer Musik wie die Berliner Philharmoniker oder die Alte Oper Frankfurt, unterhält eine eigene Kunstsammlung und fördert Künstler, zum Beispiel über den Villa-Romana-Preis, und Museen wie das Städel in Frankfurt am Main. Die Berliner Philharmoniker, unter Sir Simon Rattles Ägide seit 2002 eine vom Land Berlin subventionierte Stiftung mit einem Eigeneinnahmeanteil von rund 60 Prozent, sollen laut Gerald Mertens, dem Geschäftsführer der Deutschen Orchestervereinigung, sechs Millionen Euro von der DB im Jahr erhalten (der Berliner Senat berichtet dagegen, so die Tageszeitung Die Welt, von unter fünf Millionen Spenden und Sponsoring insgesamt).
In Großbritannien legt der Energieriese British Petroleum (BP) zwar selbst keine genauen Sponsoringzahlen offen, verlängerte aber im Dezember 2011 die Förderung diverser Kulturprojekte mit der Tate Modern, dem Royal Opera House, der National Portrait Gallery oder dem British Museum – trotz oder gerade wegen der nicht abnehmenden Diskussionen über seine diversen Öllecks, Engagements in Ländern mit Menschenrechtsverstößen und vermuteten Kooperationen mit Diktatoren und Milizen.

Korrumpiert Sponsoring die Kultur?

Die allgemeine Frage, ob die stetig zunehmende private Finanzierung die Kultur verändert, wird in der Regel so beantwortet: »Ich glaube nicht, dass man in irgendeiner Weise sagen kann, die Kulturszene sei von Geld aus der Wirtschaft verbogen worden«, beteuerte beispielsweise Colin Tweedy 2010, damals noch Chef der britischen Kultur-Sponsoren-Vermittlungsagentur Arts & Business. Auch Thomas Köstlin schrieb 2009 als kaufmännischer Geschäftsführer der Kulturveranstaltungen des Bundes in Berlin GmbH: »Haben Sie keine Angst vor Einflussversuchen in künstlerische Fragen – nach aller Erfahrung respektieren Mäzene und Sponsoren die Sachkompetenz von Künstlern oder Kuratoren, achten künstlerische Freiheiten und versuchen nicht, eigene Gestaltungswünsche durchzusetzen.«
Zahlreiche Beispiele illustrieren dies. Um nur eines aus dem Bereich der bildenden Kunst zu nennen: Die Leipziger Galerie für Zeitgenössische Kunst – eine Public-Private-Partnership nach Matching-Funds-Prinzip – soll, so will es der private Förderer Arend Oetker, nicht die übliche Sonntagsspaziergangskunst zeigen, sondern das Spröde, Sperrige, Unbequeme. Und ihr Forschungsprojekt »Carte Blanche« verschaffte eben nicht x-beliebigen Privatfinanziers freie Hand beim Füllen der mit 20000 Euro Betriebskostenzuschuss bezahlten Ausstellungsräume, sondern die Direktorin behielt jederzeit die Kontrolle in ihrer Hand.
Auf Seiten der Kritiker liest man allerdings das glatte Gegenteil. In seiner Broschüre »Not if but when: Culture Beyond Oil« schreibt das britische Künstler-Aktivisten-Kollektiv »Platform«: »Die meisten glaubwürdigen Akteure im Kulturbereich geben zu, dass unternehmerisches Sponsoring die Kultur deformiert.« Genaueres über den Einfluss von Unternehmen auf die Kunst kann man nachlesen in Chin-Tao Wus Buch »Privatising Culture – Corporate Art Intervention since the 1980s«.
Auch in Deutschland schrieb beispielsweise die Kunstwissenschaftlerin und Journalistin Sigrun Hellmich 2009: »Längst ist es kein Geheimnis mehr, dass private Sammler, Galeristen, Banken, Sponsoren und Freundeskreise (mit)bestimmen, was öffentliche Museen ankaufen können und ausstellen ... Man spricht nur nicht drüber.« Im gleichen Jahr konstatierte die Kunsthistorikerin und freie Journalistin Uta Baier in der Welt, »dass Galeristen ganze Museumsausstellungen bestückten, dass Sammler immer mehr mitbestimmten und auch Sponsorenwünsche berücksichtigt werden mussten ... Und dass parallel zu wichtigen Geschäftsabschlüssen bestimmter Museumssponsoren Ausstellungen organisiert werden, ist längst kein Geheimnis mehr.«
Soll man nun diesen allgemein gehaltenen Behauptungen Glauben schenken – oder lieber der konkreten Versicherung der Pressesprecherin der Berliner Philharmoniker, Elisabeth Hilsdorf, die versicherte, es gäbe »keinerlei Eingriff des Hauptsponsors Deutsche Bank in die künstlerische Arbeit«? Eine endgültig abschließende Antwort werden wir nicht hier und heute finden. Vielleicht aber auf folgendes Problem:

Überträgt sich das Image des Sponsors auf die Kultur?

Für das unternehmerische Kultursponsoring ist unter allen möglichen Motiven (Kunden-, Produkt-, Partner-, Mitarbeiter-, Image- und Altruismus-Orientierung) in erster Linie das Argument der Verbesserung und Profilierung des Images relevant. Dabei färbt das positive, auf Qualität, Innovation, Kreativität, Sinnlichkeit oder Einzigartigkeit basierende Image der Kulturinstitution auf den Sponsor ab – und zwar gegenüber der allgemeinen Öffentlichkeit, den Geschäftspartnern, der Politik und den »Meinungsführern« wie Journalisten und Kulturkommentatoren (also den für Lobbyisten besonders wichtigen »special publics«, wie sie in der PR-Industrie genannt werden): »Häufig versucht der Sponsor so auch, einem schlechten Image auf anderen Gebieten entgegenzuwirken« (Köstlin). Ein britischer PR-Berater geht sogar so weit, Kulturorganisationen im Coaching dazu zu raten, an Unternehmen in der Krise oder in schlechter angesehenen Branchen heranzutreten, da sie besonders darauf angewiesen seien, beispielsweise durch Kultursponsoring ihren Namen in der Öffentlichkeit aufzuwerten.
Von wem lässt man sich sponsern und wo zieht man als gemeinnützige Organisation eine Grenze: erst beim Waffenfabrikanten oder schon beim Pharmakonzern? Und was passiert, wenn ein altbewährter Sponsor in eine Krise gerät? Wenn zum Beispiel die Deutsche-Bank-Aktie fällt, der Vorstandschef durch deplatzierte Äußerungen einen Imageschaden hervorruft (Kopper: »Peanuts«) oder die Bankenkrise ganz allgemein das Image der gesamten Branche in den Schmutz zieht? Die hat es angesichts ihres immateriellen und homogenen, schlecht greif- und differenzierbaren Produkts »Geld und Finanzdienstleistungen« eh schon schwer, sich zu profilieren – ganz zum Gewinn der Kultur, deren größte Sponsoringgebergruppe der Finanz- und Versicherungssektor ist.
Kann sich das schlechte Image eines Sponsors auch auf die gesponserte Kulturinstitution übertragen? Wie reagieren geförderte Institutionen auf PR-Krisen ihrer Förderer? Ist das überhaupt ein Thema?
Bei den Berliner Philharmonikern nicht. Man blickt auf eine erfolgreiche und »höchst angenehme« Zusammenarbeit zurück, und beide Partner kommunizieren gern die gemeinsamen Errungenschaften, die es ohne die Bank nicht geben würde: Im 2002 begonnenen »Education«-Programm haben sich mittlerweile 23 000 Schüler an Projekten und Aufführungen beteiligt, die über 170000 Zuschauer gesehen haben; 10000 Jugendliche besuchten im Herbst die Internetseite des Mahler-Remix-Contests. Seit 2009 gibt es die »Digital Concert Hall« mit bisher 2,5 Millionen »unique visitors«, 160 Konzerten im Archiv und rund 40 Live-Übertragungen pro Saison, von denen eine Auswahl mittlerweile nicht nur über die Webseite, sondern auch in Kinosäle übertragen wird. Sichtbare Erfolge.
Man habe niemals auch nur darüber nachgedacht, wegen der Bankenkrise die bewährte Partnerschaft mit der Deutschen Bank aufzugeben, dazu gäbe es keinerlei Grund, sagt Elisabeth Hilsdorf auf Nachfrage. Das war zwar vor dem letzten Skandal, als die Deutsche Bank im Zusammenhang mit angeblichen Zinsmanipulationen mehrerer europäischer Großbanken genannt wurde. Ob die anstehende öffentliche Anhörung dazu jedoch etwas ändern wird, ist fraglich. Ob die Zuschauer den Gesponserten ihre Gunst entziehen, hängt von vielen Faktoren ab. Selbst im kommerziellen Fußball kann schlechtes Sponsorenimage eine Wirkung erzeugen: Als Werder Bremen seinen neuen Trikotsponsor, den Massentierhalter Wiesenhof, ankündigte, traten Mitglieder aus dem Verein aus und über 20000 schlossen sich einer Facebook-Protestgruppe an – der Textildiscounter KiK dagegen, der unter Verdacht steht, seine Mitarbeiter in der Dritten Welt auszubeuten, war vorher kein Problem gewesen.

Ausstieg der Kultur aus dem Sponsoring

Für die öffentlich geförderte Kultur müsste das Geschäftsgebaren der Sponsoren in jedem Fall ein Thema sein. In Großbritannien sind Kulturinstitutionen auch schon aus Sponsoringverhältnissen ausgestiegen. Das Londoner Natural History Museum ließ beispielsweise 2008 den anglo-niederländischen Ölgiganten Shell als Hauptsponsor der »Wildlife Photography of the Year«-Ausstellung fallen, nachdem Gruppen wie »Friends of the Earth« oder »Rising Tide« protestiert hatten. Shell werden – neben dem Abbau von Teersanden in Kanada und finanzieller Unterstützung des Assad-Regimes in Syrien – seine Aktivitäten im Nigerdelta vorgeworfen: Kollaboration mit dem für Menschenrechtsverletzungen verantwortlichen Militär in den 1990er Jahren, eine Beteiligung an der Ermordung des Schriftstellers Ken Saro-Wiwa und anderer friedlich protestierender Zivilisten 1995 (erst 2009 endete ein 13-jähriges Gerichtsverfahren mit einer Millionenzahlung an die Hinterbliebenen) sowie fortlaufende Beschäftigung bewaffneter Milizen.
Aber es gibt auch Beispiele kleinerer Kulturorganisationen: Die Londoner Cynthia Corbett Gallery trennte sich vom namengebenden Sponsor ihres »Trafigura Art Prize«, einer Ölfirma, die 2009 aufgrund eines Giftmüllvorfalls an der Elfenbeinküste Schlagzeilen machte. Nach vehementer Kritik in sozialen Netzwerken hatten mehrere nominierte Künstler ihre Teilnahme am Wettbewerb zurückgezogen.
Noch nicht abgeschlossen ist dagegen der »Fall BP«: Erst am 7. Juli 2012 trugen Aktivisten ein Windturbinenblatt über die Millennium Bridge in die Tate Modern – ein Ausläufer von Protestaktionen, die 2003 begannen, als die Gruppe »Art Not Oil« vor einer privaten Ausstellung der BP-gesponserten »National Portrait Awards« demonstrierte. 2010 formierte sich nach einem von der Tate Gallery durchgeführten Workshop über Kunst und Aktivismus, bei dem die Teilnehmer gebeten wurden, keine Interventionen gegen Tate-Sponsoren zu untersuchen, als Reaktion auf diesen Akt der Zensur die Gruppe »Liberate Tate«. Im Mai desselben Jahres passierte das »Deepwater Horizon«-Desaster, das größte Ölleck der Geschichte, das den Golf von Mexiko mit fünf Millionen Barrel Öl verschmutzte. Verantwortlich gemacht wurden BPs Fahrlässigkeit und Sparmaßnahmen; die BP-Aktie fiel um die Hälfte. Trotzdem feierte man im Juni 2010 bei der »Tate Summer Party« 20 Jahre BP-Sponsorship – flankiert von der Performance »Licence to Spill«: Verschleierte Schwarzgekleidete der Gruppe »Liberate Tate« verschütteten aus Eimern mit BP-Logo ölartigen Sirup und verstreuten Federn. In der Folge veröffentlichte die britische Tageszeitung The Guardian zwei Protestbriefe von jeweils über 150 Künstlern, und eine von 8000 Menschen unterzeichnete Petition bat Tate, kein Geld mehr von BP anzunehmen.
Diese Reaktionen der Medien und der Öffentlichkeit zwangen die Kulturinstitution, Stellung zu beziehen. Nicholas Serota, der zwei Jahre vor Beginn der umstrittenen Partnerschaft zum Tate-Chef gewählt worden war, sagte im Interview mit dem Jewish Chronicle: »Wir suchen langfristige Partner, und einer davon ist BP. Sie begleiten uns seit 20 Jahren. Momentan stecken sie in Schwierigkeiten, aber wir lassen unsere Freunde nicht fallen, nur weil sie Probleme haben, die wir als zeitweilig ansehen.«
Tate Britain und die ebenfalls von BP gesponserten Kulturmarken British Museum, National Portrait Gallery und Royal Opera House verlängerten im Dezember 2010 trotz der Proteste ihre Sponsorships mit BP. Serota sagte dazu, das Tate-Kuratorium habe »sehr sorgfältig darüber nachgedacht und entschieden, dass es ›the right thing to do‹ sei«. Immerhin gäbe es die gesetzliche Verpflichtung, Gelder aus legalen Quellen anzunehmen. Das Kuratorium sah keinen Grund, die »Ethical Fundraising Policy« der Tate anzuwenden, die es ermöglicht, Gelder abzulehnen, wenn diese die Reputation der Tate oder deren Beziehungen zu anderen Wohltätern, Partnern, Besuchern beschädigen würden.
Während es genügend Befürworter von Sponsoring durch Ölgiganten gibt, die die Protestaktionen überzogen finden (wie etwa Jonathan Jones im Guardian) oder eine Katastrophe befürchten, sollte BP seine Unterstützung abziehen (so zum Beispiel der Maler Anthony Fry im Evening Standard), sind die Kritiker der Überzeugung, dass ein Rückzug der Kultur keinen finanziellen Schaden anrichten würde. Während die Tate, wie die Berliner Philharmoniker, keine konkreten Zahlen herausgibt, kursiert eine »sehr grobe Schätzung« von 385000 Pfund BP-Geld pro Jahr – zwölf Prozent der gesamten Sponsoringeinnahmen oder 0,4 Prozent des Gesamtbudgets der Tate. Eine »Großmarke« wie die Tate könnte dafür sicher Ersatz finden, gibt es doch genügend Großunternehmen, die sich gern mit ihr schmücken und profilieren würden.

Sponsoring macht nur einen Bruchteil der Kulturetats aus

In den 1980er Jahren wurde in Großbritannien die Tabakindustrie aufgrund ihrer krebserregenden Produkte als Kultursponsor unhaltbar, und man fand Ersatz. Ob in Deutschland die Pinakothek der Moderne es nötig hatte, ihr Kunstvermittlungsprogramm »Pink« von Philip Morris finanzieren zu lassen, ist fraglich. Lässt sich der Zigarettenhersteller sein gesundheitsschädliches Geschäftsmodell durch die Kunst veredeln – und schädigt das das Museum? Das Gegenteil scheint der Fall zu sein: 2007 gab es für das von Philip Morris »initiierte, finanzierte und entwickelte« Programm den vom Handelsblatt, der Süddeutschen Zeitung und dem Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im BDI e. V. ausgelobten Deutschen Kulturförderpreis (Kategorie »Große Unternehmen«).
Werden trotzdem irgendwann auch hierzulande Energiekonzerne aufgrund ihrer profitorientierten Verwertung von Atomkraft und fossilen Brennstoffen als Kultursponsoren unhaltbar? Können beispielsweise die Hamburger Lesetage nicht auch ohne Vattenfall veranstaltet werden? Das fragen seit 2011 auch die Organisatoren des Alternativfestivals »Lesetage selber machen – Vattenfall Tschüss sagen«, Hamburger Verlage, Autoren, Übersetzer und andere Kulturschaffende. Aber wieder wirken Medien und Industrie dagegen: Sie verliehen dem Energieriesen, der Wert darauf legt, als »Initiator und Veranstalter« und nicht nur Sponsor wahrgenommen zu werden, den Deutschen Kulturförderpreis 2011.
Derzeit machen die 300 bis 400 Millionen Euro Unternehmenssponsoring nur einen Bruchteil der deutschen finanziellen Kulturförderung aus, in den Kulturinstitutionen ein bis fünf Prozent des Budgets. Man könnte also argumentieren, dass einzelne heikle Geldgeber verzichtbar seien. Doch angesichts des finanziellen Drucks und der zahllosen positiven Beispiele von Ausstellungen und Programmen, die anderweitig gar nicht stattgefunden hätten, kann die Kultur sich der komplementären Finanzierung aus privaten Quellen nicht verschließen. Danach zu rufen, dass der Staat doch noch einmal überdenkt, ob und wie viel Kultur er sich leisten möchte und was mit diesem Engagement erreicht werden soll, ist zwar richtig und an der Zeit. Solch einen kulturpolitischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozess sollten Kulturschaffende anstoßen und zu prägen versuchen, auch wenn sie sicher nicht untätig auf dessen Ergebnis warten können. 
Daher ist die Diskussion, ob und welche privaten Mittel in welcher Form eingesetzt werden und wie man sie akquiriert, unbedingt jetzt zu führen. Berichte und Grundsätze des Sponsors in Sachen »unternehmerische Gesellschaftsverantwortung« sollten nicht fraglos und unkritisch hingenommen, sondern mit seinem tatsächlichen Geschäftsgebaren verglichen werden. Ethikrichtlinien können bei der Kulturinstitution festschreiben, aus welchen Quellen und zu welchen Konditionen der private Sektor einbezogen werden darf – sie sollten allerdings im Zweifelsfall auch angewandt werden. Sponsoringverträge sollten den Eingriff des Sponsors in künstlerisch-inhaltliche Angelegenheiten explizit ausschließen. Und nicht zuletzt sollte – unter Abwägung der wirtschaftlichen Interessen des privaten Partners und der Informationsrechte der Öffentlichkeit – transparent über alle, auch die monetären und die negativen Facetten des gemeinsamen Projekts kommuniziert werden.