Interview mit Manfred Kirchgeorg

Was hat die Frage nach dem Sinn mit Sponsoring zu tun? Um über Letzteres zu reden, hatten wir uns mit Manfred Kirchgeorg verabredet. Seit 15 Jahren hat der Wissenschaftler den Lehrstuhl für Marketingmanagement an der Handelshochschule Leipzig inne. Wir fragten den intimen Kenner der Materie:

Herr Professor Kirchgeorg, wofür ist Sponsoring gut?

Manfred Kirchgeorg: Im Gegensatz zum Mäzenatentum, wo jemand etwas Gutes tut, aber nicht genannt werden will, erwarten Sponsoren beispielsweise, dass ihr Name während der unterstützten Veranstaltung genannt wird. Sponsoring ist also im Vergleich zum Mäzenatentum durch eine Gegenleistung gekennzeichnet. Es haben beide Partner einen Vorteil: bessere finanzielle Mittel für den Gesponserten und Werbung für den Sponsor.

Ist Sponsoring nur ein knallhartes Geschäft auf Gegenseitigkeit?
Kirchgeorg: Es steckt mehr dahinter. Der Sponsor identifiziert sich ja mit dem Fördergedanken. Derjenige, der gefördert wird, sollte in irgendeiner Form in Einklang stehen mit dem, was das Unternehmen auszeichnet. Man spricht von einem »strategischen Fit«: Was passt – englisch »fit« – zum Markenkern des Sponsors?

Sponsorengelder machen lediglich zwei bis vier Prozent des Gesamtetats einer Kultureinrichtung aus. Wird das Thema Sponsoring nicht viel zu hoch gehängt?
Kirchgeorg: Wir können von 4,5 Milliarden Euro Sponsoringvolumen in Deutschland ausgehen, das Kultursponsoring beträgt etwa 300 bis 400 Millionen. Das heißt, Letzteres macht im sogenannten Mediamix der Unternehmen auch nur einen kleinen Teil aus. Es gibt Mäzene, die fördern dagegen ein ganzes Museum. Allerdings muss man sehen, globale Unternehmen sind heute in der ganzen Welt gefragt. Ob sie in Südafrika ein Theater unterstützen oder in Indonesien einen Kindergarten – die Liste der Anfragen ist lang. Deswegen ist für die einzelnen Kulturinstitutionen kein so großer Batzen da. Umso wichtiger ist es, sich auf der Kulturseite in Sachen Sponsoring professionell aufzustellen, denn auf der Unternehmensseite sitzen auch Profis. Diesen muss eine Kulturinstitution genau sagen können, wie ihre Zielgruppe aussieht, was sie mit dem Sponsorengeld machen will und was ihre Gegenleistung ist.

Das heißt, beim Umgang mit öffentlichen Geldern ist Professionalität weniger wichtig?

Kirchgeorg: Das ist eine provokante These. Ich meine, Institutionen, die Sponsorengelder wollen, müssen sich mit den Unternehmen zusammensetzen. Wenn ich sehe, wie professionell Unternehmen heute Sponsoring betreiben, dann braucht man auf der Seite der Sponsoringnehmer auch Leute, die etwas davon verstehen, oder eine Agentur, die moderiert. Das meine ich mit Professionalisierung. Einige fallen hinten herunter, weil sie aufgrund einer dünnen Personaldecke niemanden haben, der sich darum kümmern kann.

Das sind oft Einrichtungen, die nicht öffentlich gefördert werden. Müssten Gelder aus der Privatwirtschaft nicht vor allem solchen Initiativen und Strukturen zugute kommen?
Kirchgeorg: Es gibt tatsächlich den Verstärkungseffekt, dass jene, die sich professionell mit Sponsoring auseinandersetzen können, immer mehr bekommen. Gleichwohl sind es auch immer die größeren, besonderen, einzigartigen Institutionen, die partizipieren, weil die Unternehmen sich ebenfalls differenzieren und abheben möchten. Für sie sind hauptsächlich diese Institutionen von Interesse, weil sie größere Zielgruppen haben und mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen.

Wäre hier eine Lenkung nötig?
Kirchgeorg: Da wäre ich vorsichtig. Wir haben ein freies Spiel der Kräfte insofern, dass sich Sponsor und Gesponserter finden müssen. Und sie finden sich nur, wenn ein Bedürfnis auf beiden Seiten besteht. In einem ganz anderen Sinne ist Lenkung wichtig – und zwar von den Unternehmen selbst. Die erhalten jeden Monat zahlreiche Anfragen: Der Kinderverein, der Sportklub, die Theatergruppe – alle kommen und wollen etwas. Da muss man priorisieren und einen Auswahlkatalog erarbeiten. Ich habe festgestellt, dass das eine der schwierigsten Aufgaben ist.

Wie hoch ist das Reservoir für Sponsoring im Kulturbereich, wie viel lässt sich Ihrer Schätzung nach in den nächsten Jahren generieren?
Kirchgeorg: In der Tendenz sehe ich eine gute Zukunft für das Kultursponsoring. Allerdings sind die Budgets im Gegensatz zum Sport- oder auch zum Ökosponsoring in den letzten Jahren nicht mehr gestiegen. Einige Unternehmen schalten ihre Sponsoringetats nicht mehr Anfang des Jahres, sondern monatlich frei. Das heißt, auf Unternehmensseite hat sich der Effizienzdruck enorm erhöht. Und die neuen Medien machen es nicht einfacher. Von daher ist eine Vorhersage, in welche Richtung es gehen wird, schwer.

Eine Voraussage scheint vielen Beobachtern nicht schwerzufallen: Wenn die Höhe der Sponsorengelder steigt, wird auch der Einfluss der Sponsoren größer. Sehen Sie das auch so?
Kirchgeorg: Mein Kollege Manfred Bruhn unterscheidet drei Abstufungen des Sponsorings: Beim uneigennützigen Sponsoring sind die Unternehmen zurückhaltend bezüglich der Gegenleistungen. Beim förderungsorientierten Sponsoring steht der Unterstützungsgedanke vor dem Eigennutz. Beim klassischen Sponsoring schließlich ist die kommunikative Wirkung ein wichtiges Element der Gegenleistung. Und hier lässt sich die Frage nach dem zunehmenden Einfluss des Sponsors nicht vom Tisch wischen. Je mehr das Sponsoring in den Kulturbereich vordringt, umso stärker müssen die Gegenleistungen hinterfragt werden.

Eine Studie der TU Dresden belegt, Sponsoring zahlt sich für Unternehmen erst langfristig aus. Wie passt dazu, wenn von Monat zu Monat neu über Sponsoringetats entschieden wird?
Kirchgeorg: Es gibt verschiedene Wirkungen. Sponsoring kann den Bekanntheitsgrad auch kurzfristig steigern. Das kann man gut messen. Ein Imagetransfer vom Gesponserten zum Sponsor oder gar Änderungen im Kaufverhalten bei der Zielgruppe sind dagegen schwerer nachzuweisen. Da führen kurzfristige Mess-Eskapaden nicht zum Erfolg.
Interessant ist übrigens ein Effekt, der tatsächlich erst eintritt, wenn sich ein Unternehmen über viele Jahre als Sponsor engagiert. Dann kann es geschehen, dass sich das Image des Gesponserten verändert. Eine Kulturinstitution, die einen bekannten Sponsor hat, wird mit diesem auch verbunden. Nehmen wir als Beispiel das Gewandhaus, das von Porsche unterstützt wird. Beide sind exzellent, beide sind Weltklasse.

Porsche ist eine Marke von VW. Wenn nicht der Konzern, sondern nur eine seiner Marken als Sponsor auftritt, ist das nicht eine Irreführung der Öffentlichkeit?
Kirchgeorg: Zum Sponsoring gehört Transparenz. Denn es geht in den meisten Fällen um Kulturinstitutionen, die über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte gewachsen sind. Deren Publikum sollte wissen, wer sich hier als Sponsor engagiert. Das sollte in Beiräten oder in Kuratorien offen kommuniziert werden. Schließlich brauchen beide Seiten Vertrauen, und nicht nur zueinander, sondern insbesondere auch das ihrer Kunden und Besucher. Kundenbeziehungen werden lange aufgebaut – und können über Nacht zerstört werden. Deswegen möge sich bitte prüfen, wer sich bindet. Und wenn man als Kulturinstitution merkt, dass die eigene Zielgruppe Bauchschmerzen mit einem Sponsor hat, dann sollte man das ernst nehmen. Zwar kann man nicht jeden Besucher vorher fragen, wenn man eine Sponsorbeziehung eingehen will, aber eine Entscheidung zur generellen Passfähigkeit lässt sich meist leicht fällen: Es gibt das Imageprofil des Sponsors und das des Gesponserten. Legt man beides übereinander, sieht man schnell, wo es Gemeinsamkeiten gibt und wo Differenzen und was überwiegt.

Wie beurteilen Sie, wenn Anstalten des öffentlichen Rechts wie zum Beispiel Sparkassen als Sponsoren auftreten: Ist das nicht ein Fall von »Scheinsponsoring«?
Kirchgeorg: Meines Wissens ist in den Statuten von Sparkassen die Verpflichtung festgeschrieben, mit einem gewissen Anteil ihres Jahresüberschusses gemeinnützige, kulturelle, wissenschaftliche oder soziale Zwecke in ihrem Geschäftsgebiet zu unterstützen. Somit ist ein Sponsoringengagement hier sogar ausdrücklich gewünscht.

Anstalten des öffentlichen Rechts sind keine privatwirtschaftlichen Unternehmen; ihnen stehen Landräte, Bürgermeister oder ähnliche Funktionsträger als Verwaltungsräte vor. Und die entscheiden dann auf dem kurzen Dienstweg, an welche Projekte Gelder vergeben werden?
Kirchgeorg: Wenn hinter dem vordergründigen Sponsoringengagement andere Ziele stehen, die nicht offengelegt werden, dann ist das kein Sponsoring, sondern ein politischer Akt, den man kritisch sehen muss. Auch hier ist Transparenz ungemein wichtig.

Wirtschaft und Kultur werden oft als Gegensätze gesehen: Jener ginge es nur um Gewinn, dieser vorrangig um Inhalte. Werden beide durch das Sponsoring miteinander versöhnt?
Kirchgeorg: Kultur vermittelt über das Wirtschaftsgeschehen hinaus Sinngebung. An diesem Positiven möchte die Wirtschaft sicher teilhaben. Ich glaube, die Suche nach Sinngebung wird sogar noch zunehmen. Je mehr ein Unternehmen global agiert, umso stärkere lokale Anker der Identität braucht es. Und diese lokalen Anker werden auch durch Sponsoring gesetzt.

Warum sponsern Unternehmen nicht lieber Religionsgemeinschaften? Die wollen auch Sinn vermitteln und sind oft lokal tiefverwurzelt.
Kirchgeorg: Das normative Bekenntnis eines Unternehmens zu einer Kirche ist weit fundamentaler als die Sponsorschaft beispielsweise für ein Museum, und viele internationale Konzerne hüten sich vor engen religiösen Engagements. Aber zurück zu Ihrer Frage: Ich denke schon, dass durch Kultursponsoring zum Teil eine Versöhnung zwischen Wirtschaft und Kultur stattfindet – wenn es denn diesen Gegensatz überhaupt gibt.

Sie bezweifeln das?
Kirchgeorg: Ja. Vor etwa zehn Jahren sprach ich mit Vertretern einer Kulturinstitution, deren Auslastung bei 30 Prozent lag. Mich interessierten die Gründe dafür und ich fragte, was die Kunden der Institution eigentlich wollten. Das war die falsche Frage; mir wurde geantwortet: »Wir wollen nicht das spielen, was die Kunden wollen! Wir wollen provozieren. Wir dürfen nicht dem Mainstream folgen.« Aber wenn keiner mehr kommt, wen will man dann noch provozieren? Man läuft da wohl eher Gefahr, an einem vermeintlichen Gegeneinander festzuhalten, während andere längst an einem Miteinander oder zumindest einer Annäherung interessiert sind. Und diese Annäherung zwischen Kultur und Wirtschaft sehe ich, und sie scheint mir eine Chance zu sein, dass man sich inhaltlich befruchtet. Beim Sponsoring geht es ja nicht allein um Gelder. Es gibt auch ein Sachsponsoring und eines, wo der Gesponserte personell unterstützt wird.

Viele Unternehmen gründen eigene Stiftungen und parken dort Gelder, die sie bestimmten Projekten zukommen lassen wollen. Ist das die Zukunft von Sponsoring?
Kirchgeorg: Ich sehe die Zukunft des Sponsorings eher in der »Corporate Social Responsibility«, der unternehmerischen Gesellschaftsverantwortung. Das ist eine immer stärker werdende Debatte, die in den USA entstanden ist und sich um die Kernforderung dreht: Unternehmen müssen sich in ihrem Land, in ihrer Region und in ihrer Kommune sozial engagieren.

Geht das nicht eher in Richtung Sozialfürsorge und Umwelt?
Kirchgeorg: Richtig. Soziales Engagement lässt sich jedoch breit auslegen. So kann das soziale Bewusstsein eines Unternehmens, ein Stück Verantwortung für die Menschen einer Region zu übernehmen, gegebenenfalls auch etwas mit deren Kulturinstitutionen zu tun haben.
Auch in diesem Bereich der gesellschaftlichen Verantwortung läuft immer mehr über Stiftungen – ein Thema, das wir seit Jahren verstärkt beobachten. Immer mehr Menschen geben ihr Vermögen in Stiftungen, entweder noch zu Lebzeiten oder als Vermächtnis. Die Stiftungen haben zwar den Vorteil, dass die Vergabe von Fördermitteln aus ihrem Kapital auf der Grundlage festgeschriebener, nachvollziehbarer Kriterien erfolgt. Aber sie haben zugleich auch den Nachteil, dass sie Gelder für den Stiftungszweck dauerhaft binden. Manchmal hat das Land, die Region oder die Kommune nicht viel von derartigen Stiftungen. Hinzu kommt, dass diese eine sehr autoritäre Sache sind. Denn über den Willen des Stifters dürfen sich keine Person, kein Vorstand und kein Kuratorium hinwegsetzen. Aus wissenschaftlicher Perspektive muss man fragen, ob es wirklich gut ist, wenn ein Stiftungszweck so lange festgeschrieben ist, und ob es nicht einmal Alternativen zur Stiftung geben sollte.

Interview: Hagen Kunze und Claudius Böhm