Nachruf auf Dr. Andreas Creuzburg
Wir trauern um Dr. Andreas Creuzburg, den Mitbegründer und langjährigen Vorsitzenden der Gesellschaft der Freunde des Gewandhauses. Am 6. August 2022 ist er im Alter von 80 Jahren verstorben. Unser tief empfundenes Mitgefühl gilt seiner lieben Frau Dr. Dörthe Creuzburg und allen Angehörigen.
Die Bilanz beeindruckt: Von 17 Gründungsmitgliedern im Jahr 1993 – exakt 250 Jahre nachdem 16 Initiatoren in Leipzig das Große Concert und damit die einmalige Tradition des weltweit ältesten bürgerlichen Orchesters begründeten – wuchs die Zahl der Freunde des Gewandhauses binnen dreier Jahrzehnte auf über 800 Förderer von nah und fern. Das geschieht nicht einfach so – es ist Resultat nachhaltigen Werbens. Maßgeblichen Anteil an dieser atemberaubenden Entwicklung hatte als rühriger Macher der ersten Stunde, der über die ersten knapp 30 Jahre hinweg den Vorsitz des Vereins führte: Dr. Andreas Creuzburg. Derart erfolgreiches Werben um ideelle und materielle Unterstützung für die Projekte des Freundeskreises kann nur gelingen, wenn man dieses Engagement selbst so authentisch und hingebungsvoll lebt, wie Dr. Creuzburg es tat. Selbst Feuer und Flamme ließ er den Funken überspringen. Sein »Erfolgsgeheimnis« lag in der persönlichen Ansprache, in zupackender Umtriebigkeit, in mitreißendem Elan und – umsichtig austariert – im Mut zum scheinbar Unmöglichen auf der einen und bodenständigem Realitätssinn auf der anderen Seite.
Stellvertretend für die unzähligen Anschaffungen und Projekte, die von der Gesellschaft der Freunde des Gewandhauses e.V. unter Creuzburgs Vorsitz möglich gemacht wurden, sei nur eines herausgegriffen, das ihm besonders am Herzen lag, und das in seiner beispiellosen Dimension besonderen Einsatz erforderte: Zum 275-jährigen Orchester- und 25-jährigen Freundeskreis-Jubiläum konnte dank der Unterstützung vieler weiterer Förderer die einzigartige kleine Saalorgel der Orgelbauwerkstatt Kristian Wegscheider geweiht werden. Creuzburgs Wirken klingt im Gewandhaus weiter – im wörtlichen Sinne.
Seine Liebe zur Musik und die Verbundenheit zum Gewandhaus waren tief verwurzelt. Andreas Creuzburg erlernte das Klavierspiel von seinem Vater Eberhard, der als Archivar und wissenschaftlicher Sekretär fürs Gewandhaus tätig war, bevor SED-Funktionäre ihn des Amtes enthoben. Als Autor von Programmheften und Musikkritiken blieb der Musikwissenschaftler gleichwohl Dauergast im Gewandhaus. Immer mit dabei: der Musik-begeisterte Filius, der beruflich andere Wege einschlug und als promovierter Chemiker in Wolfen und Bitterfeld, später im Personalamt der Stadt Leipzig arbeitete.
Hellwach und wo nötig mit kritischer Stimme nahm Dr. Creuzburg Anteil am Kulturleben. Keine dramaturgisch fragwürdige Werk- oder Interpretenkonstellation, kein diskutables Detail im Programmheft blieb unkommentiert; herrlich konnte er über Starallüren, Kritikerposen und andere kuriose Begleiterscheinungen des Konzertlebens polemisieren – stets mit einnehmender Herzlich- und Verbindlichkeit. Zugleich beobachtete er feinsinnig und mit großem Ernst stadtgesellschaftliche, kulturpolitische und globale Entwicklungen. Auch als wachen Geist, der mutig Haltung zeigt und nicht sein Fähnlein in den Mainstream-Meinungs-Wind hängt, werden wir Andreas Creuzburg vermissen. Er war überzeugt: Gerade in schwierigen Zeiten ist Kultur unverzichtbar für jeden einzelnen und für eine intakte Gesellschaft. Insofern verstand er Kulturförderung als essentiellen Beitrag zum Gemeinwohl.
Als Dr. Andreas Creuzburg vor einem Jahr den Staffelstab an Prof. Hanns-Martin Schreiber übergab und nach nahezu 30 Jahren unermüdlichen, ja unnachgiebigen Engagements feierlich aus seinem Amt als Vorsitzender der Gesellschaft der Freunde des Gewandhauses e. V. verabschiedet wurde, klang aus allen Dankesadressen ein gemeinsamer Tenor: Dr. Creuzburg war dem Gewandhausorchester ein wahrer Freund im besten, umfassenden Sinn des Wortes. Er stand uns beharrlich und bedingungslos zur Seite, teilte beglückende und beklemmende Zeiten mit uns und schloss in seine Unterstützung Gaben ein, deren Wert sich nicht materiell bemessen lässt: Zeit und Zuwendung, Empathie und Engagement.
Seine schwere Krankheit hielt ihn nicht davon ab, gemeinsam mit seiner Frau Dr. Dörthe Creuzburg bis zuletzt die Gewandhauskonzerte zu besuchen und als Ehrenmitglied und Ehrenvorsitzender an den Aktivitäten des Freundeskreises Anteil zu nehmen. Das 30jährige Jubiläum dieses Vereins wird er nun nicht mehr miterleben. Wir bewahren sein Andenken in freundschaftlicher Verbundenheit, bewundernder Ehrerbietung und großer Dankbarkeit.