Jörg Widmann im Interview zu Felix Mendelssohn Bartholdy

Komponist, Klarinettist und Dirigent Jörg Widmann beantwortete uns fünf Fragen zu Felix Mendelssohn Bartholdy. Bei den diesjährigen Mendelssohn-Festtagen ist der vielseitige Künstler und erste Gewandhauskomponist (2017/2018) als Klarinettist und Gesprächspartner zu Gast. Auch einige seiner Werke werden erklingen – darunter die Konzertouvertüre »Con brio« in den Großen Concerten am 03. und 04. November.

Erinnern Sie sich an Ihre erste Begegnung mit Felix Mendelssohn Bartholdys Musik?

Die frühe, bis heute viel zu selten gespielte Klarinettensonate des 15-jährigen Mendelssohn, in die ich mich mit ungefähr 10 Jahren im Klarinettenunterricht unsterblich verliebte.

Was haben Mendelssohn und Sie gemeinsam?

Er ist unerreichbar. Aber die Lust am Tempo, an raschen Stimmungswechseln auf engstem Raum, die Lust an Instrumentalfarben (seine tiefen Flöten ...!) – das teilen wir sicherlich. Ebenso das selbstverständliche gleichermaßen Komponist, Instrumentalist und Dirigent sein. Aber jeder Vergleich verbietet sich angesichts seiner Größe.

Was würde Mendelssohn zu Ihrer Konzertouvertüre »Con brio« sagen?

Das wüsste ich auch gern. Ich wünsche mir natürlich, dass er nach seinem ersten Erstaunen über die Vielzahl von zumindest im 19. Jahrhundert unbekannten Luftgeräuschen und ungewöhnlichen Spieltechniken viel Freude damit hätte. Wir werden es nie erfahren.

Ihr Konzerttipp im Rahmen der Mendelssohn-Festtage 2022?

Die so gut wie nie gegebene frühe Klarinettensonate steht in meinen Konzerten bewusst gleich zweimal auf dem Programm: einmal in der Originalfassung im Mendelssohn-Haus und einmal in meiner Bearbeitung für Klarinette, Streicher, Harfe und Celesta im Mendelssohn-Saal. Ich gebe es zu: Bei diesem Stück fühle ich eine gewisse »Mission«, dieses herrliche Stück bekannter zu machen. Mendelssohn in Verbindung mit heutiger, in dem Fall meiner Musik vielleicht noch einmal anders zu hören – was könnte es Schöneres und Spannenderes geben?

Warum brauchen wir Live-Musik mehr denn je?

Weil gerade – nach Walter Benjamin – im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit und Abrufbarkeit von Musik zu jeder Zeit und an jedem Ort der Welt der im Moment, ohne Halteseil singende und spielende Mensch auf der Bühne uns mehr denn je zu fesseln und faszinieren vermag. Die musikalischen Schwingungen live gemeinsam mit anderen Menschen zu erleben, ist – nach den entbehrungsreichen Corona-Jahren – wichtiger und übrigens in der Wahrnehmung von uns Musikern UND dem Publikum berührender und unter die Haut gehender denn je!

Großes Concert am 03./04. NOV 2022

Programm der Mendelssohn-Festtage


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